Interview mit Fernanda Farah, Josep Caballero García und Helmut Geffke

Kunst als zwecklose Begegnung oder als nicht normative Realität

 Fernanda Farah und Josep Caballero Garcia kommen beide aus dem zeitgenössischen Tanz und sind bekannt für die Zusammenarbeit mit stilprägenden Theatern in Berlin.

Fernanda wurde in Südbrasilien geboren und zog als Teenager nach São Paulo, um Theater und Musik zu studieren. Im Jahr 2000 kam sie ohne genauen Plan nach Berlin. Obwohl sie nie mit John Cage Schach gespielt hat, hatte sie die Möglichkeit, viele andere unglaubliche Dinge mit Menschen zu tun, auf die sie stolz ist. Sie hatte vor kurzem Premiere an der Volksbühne, wo sie in der Produktion Der Palast von Constanza Macras auftritt. Josep wurde in Spanien geboren. Letztes Mal als er verliebt war wollte er alles hinter sich lassen um nach Canada zu ziehen. Das Leben hat ihn aber nach Berlin zurückgebracht. Im Rahmen einer Doppelpass-Förderung der Kulturstiftung des Bundes präsentiert er demnächst Produktionen auf Kampnagel in Hamburg, am Theater Lüneburg und im HAU Hebbel am Ufer.

Helmut Geffke war nach seinem Diplomabschluss als Schauspieler an der Leipziger Theaterhochschule 1970 bis zum Jahre 2018 am Theater an der Parkaue in Berlin engagiert. In mehr als 135 Inszenierungen stand er als Schauspieler auf der Bühne oder inszenierte als Regisseur bundesweit 18 Theaterstücke. Auf die Fragen hat Helmut Geffke kurz nach der Probe für UNRUHIG BLEIBEN geantwortet kurz nach seinem 70sten Geburtstag.

 Alle drei antworten auf einen durchmischten Fragebogen von Bernard Pivot, Marcel Proust und Sophie Calle.

 

Was ist deine Vorstellung vom vollkommenen Glück?

Fernanda Farah: In der Gegenwart zu sein.

Josep Caballero Garcia: Ein Ruhezustand.

Helmut Geffke: Die vollendete Ruhe nach dem Orgasmus hält ewig.

 

Was ist deine größte Angst?

F: Immer, wenn ich nicht in der Gegenwart bin, habe ich Angst.

J: Zu sterben.

H: Dass die Angst irgendwann nicht mehr verschwindet.

 

Welche Eigenschaften beklagen die Leute am meisten bei dir?

F: Dass ich ein Control Freak bin.

J: Die Geduld! Sie sagen ich bin zu geduldig.

H: Keiner beklagt sich über mich wenn ich dabei bin.

 

Welche lebende Person bewunderst du am meisten?

F: Mein Sohn, weil er so fresh ist, weil er so vollkommen ist. Und meine Mutter, weil sie sich immer wieder geändert hat im Laufe des Lebens.

J: Mein Vater, würde ich sagen. Jetzt im Moment. Weil ich ihn als Teenager eigentlich gehasst habe. Und irgendwie habe ich es dann bearbeitet und jetzt merke ich, wie er lebt und wie er mit den Menschen spricht. Jetzt ist er 82 Jahre alt und ist trotzdem super jung geblieben.

H: Der bewundernswerteste auf dieser Erde ist die Verkörperung des Gottes Tschenresie, seine Heiligkeit der Dalai Lama.  

 

 

Bei welcher Gelegenheit lügst du?

F: Wenn ich denke, dass der Mensch, den ich anlüge, von der Wahrheit leiden wird. Oder ich nicht gestört werden will. Dann lüge ich. Um mich zu schützen.

J: Wenn ich etwas von der anderen Person möchte.

H: Wenn ich glaube dass der Schaden meiner Lüge kleiner ist als mein Gewinn durch die Lüge würde ich mich hinreissen lassen.

 

Wer ist die größte Liebe deines Lebens?

F: Mein Mann. Weil ich sehr lange mit ihm war.

J: Ich habe zwei. Einer ist mein erster Freund. Als ich 20 Jahre alt war. Und der zweite ist eigentlich eine von meinen letzten Beziehungen.

H: Wer hier was anderes schreibt als Ich bin die größte Liebe meines Lebens lügt.

 

Wann und wo warst du am glücklichsten?

F: Immer wieder.

J: In Frankreich. Das war von 1991 bis 1993. Ich bin nicht da geblieben und da ist auch viel Scheiße passiert aber vom Ort her war ich da am glücklichsten.

H: Immer wenn ich meiner Vorstellung vom vollkommenen Glück (siehe Frage1) praktizierte.

 

Welches Talent hättest du am liebsten?

F: Ich würde gerne eine Surferin sein.

J: Schnell und klug zu sein. Schnell in jeder Situation sein und das mit ganz viel Souveränität zu machen.

H: Mir reichen meine.

 

Wo würdest du am liebsten leben?

F: In Rio. Aber ich lebe nicht da, weil ich das Rio in meinem Kopf mag, wo ich 1998/1999 lebte und das gibt es nicht mehr. Man braucht zu viel Geld um da zu leben.

J: Sagen wir Frankreich. Da ist etwas geblieben.

H: Im reinen Land Sukavati.

 

Was ist dein wertvollster Besitz?

F: Mein Sohn. Er ist aber nicht mein Besitz. Ich weiß es nicht.

J: Meine Wohnung. Es ist zwar kein Besitz, ich bezahle Miete, aber ich bin verliebt in meine Wohnung.

H: Mein Leben.

 

Was betrachtest du als die unterste Tiefe des Elends?

F: Reiche Leute, die die anderen nicht mal sehen können.

J: Jemanden zu manipulieren. Fies zu manipulieren.

H: Allein in einer Pfütze liegen und alle steigen drüber um sich nicht die Füße naß zu machen.

 

Was ist dein größtes Bedauern?

F: Nichts, wenn ich aus den Situationen was gelernt habe.

J: Vielleicht damals nicht in Frankreich geblieben zu sein um dort mein Leben zu entwickeln. Ich bereue, dass ich nicht genug Mut hatte um es zu riskieren. Aber ich habe davon viel gelernt.

H: Das immer mehr Leute sterben, die mal mit mir zusammen lebten.

 

Wie würdest du gerne sterben?

F: Sofort. Ohne Leiden. Und auch ganz aktiv. Vielleicht beim Volleyballspiel.

J: Im Schlaf.

H: Lächelnd.

 

Welches Geräusch liebst du?

F: Stimmen.

J: Wenn ich einschlafe mag ich es, wenn ich ganz leise den Fernseher von jemanden höre. Nicht in meiner Wohnung. Kann sein in meiner Wohnung aber in einem anderen Zimmer. Das mag ich sehr.

H: Bienensummen.

 

Welchen anderen Beruf würdest du gerne machen?

F: ich würde gerne Biologin werden. Oder Ärztin. Ich bin fasziniert von Körperzellen, Pflanzen. Erde, Leben und so. Aber eher Biologin.

J: Sozialarbeiter.

H: Keinen.

 

Wann bist du das letzte Mal gestorben?

F: Letzte Woche. Die, die ich war reichte nicht mehr. Einfach weiter so sein und zu arbeiten konnte ich nicht mehr. Dann musste ich kurz sterben.

J: Noch nicht.

H: Ich sterbe täglich mehrmals um wiedergeboren zu werden.

 

Was ist aus deinen Kindheitsträumen geworden?

F: Ein harter Beruf.

J: Schon viel. Ich wollte immer reisen und das habe ich geschafft. Oder im Ausland zu leben.

H: Ich bin aus meinen Träumen geworden.

 

Vermisst du etwas?

F: Immer weniger. Ich habe schon sehr viel vermisst aber ich vermisse nicht mehr so viel.

J: Ich vermisse meine Familie. Ich vermisse im Moment Spanien vielleicht. Wie die Menschen dort miteinander sozialisieren.

H: Zeit.

 

Was hast du aufgegeben?

F: Ich gebe immer wieder die Vorstellungen auf, die man für das eigene Leben hat.

J: Kinder zu haben habe ich aufgegeben.

H: Zu glauben dass in meinem Leben irgendwas schief gelaufen ist.

 

Was sind deine Lieblingsfreuden?

F: Mit Freunden zu trinken und zu lachen. Bücher vorlesen für Joaquin. Und Sommer, Strand.

J: Für Freunde zu kochen. Leute, dich ich lange nicht gesehen habe wieder zu treffen. Zu reisen. An einen Ort, den ich nicht kenne. Und schöne Überraschungen zu machen.

H: Da sind wir wieder bei der Vorstellung vom vollkommenen Glück.

 

Was verteidigst du?

F: Die gleichen Sachen, die ich aufgeben muss. Meine Vorstellungen. Es ist da ein Konflikt zwischen den beiden. Manchmal stelle ich mir die Frage: wer bin ich? Bleib ich so? Ist noch Platz für jemand anderes? How many are we? Ich merke immer wieder, dass ich manchmal so eine Vorstellung verteidige.

J: Gerechtigkeit.

H: Alles was lebt ist wert das es zugrunde geht.

 

In welcher Form möchtest du zurückkommen?

F: Was für eine sinnliche Frage, so super. Als Wasser.

J: In diesem Leben? Als Baum.

H: Gar nicht. Gern würd ich den Kreislauf der Wiedergeburt durch das Verweilen im Nirvana ersetzen, aber soweit bin ich nicht und bin froh als Menschen noch ein wenig den Kreislauf des Lebens mit euch teilen zu dürfen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorstellungen

Premiere am 08. Mai um 19 Uhr

 

weitere Vorstellungen am:

 

Do 09.05 19:00
Sa 18.05 19:00
So 19.05 16:00
Mo 20.05 11:00
Do 23.05 19:00
Fr 24.05 19:00
Sa 25.05 19:00 (mit Audio-Deskription und Gebärden-Übersetzung (Bühnenführung um 18Uhr))
Mo 27.05 11:00
Mi 29.05 19:00 (im Rahmen des PAF, Performing Art Festival Berlin)

 

Adresse

Zitadelle Spandau

Am Juliusturm 64

13599 Berlin

Bastion Kronprinz

Share it!

Mitwirkende

Carlos Manuel - Regie
Anne Duk Hee Jordan - Rauminstallation / Bühnenbild
Mathias Hinke - Musik
Verena Hay - Kostüme

und Fernanda Farah, Franziska Ritter, Helmut Geffke und Josep Caballero Garcia - Darsteller*innen

Julia Schreiner - Produktion

 

Kontakte

Kartenvorbestellung:

schreiner@jtw-spandau.de

 Presse:

 Ciprian Marinescu

 01784518623

 presse@unruhig-bleiben.de